Schluss mit der Kriminalisierung von Antifaschist:innen – Wie Staatsschutz und Neonazis gegen einen Erlanger Politiker vorgehen

Im März 2021 wurden die Wohnung eines Antifaschisten und parteilosen Stadtrates der Grünen Liste in Erlangen, wie auch die Räume seiner Fraktion, ohne deren Kenntnis, von Polizei und Staatsschutz durchsucht. Dabei wurden sämtliche elektronischen Speichermedien beschlagnahmt. Der Vorwurf lautet: „Beihilfe zum Verstoß gegen das Kunsturheberrecht“. Nach einer öffentlich beworbenen Veranstaltung der AfD in einem Erlanger Restaurant im September 2020 zum Thema „politischer Islam“ waren Fotos dieser auf Indymedia aufgetaucht. Mitglieder der AfD sahen sich dadurch in ihren Bildrechten verletzt und erstatteten Anzeige. Inzwischen wurde die Durchsuchung und Beschlagnahmung der Fraktionsräume für rechtswidrig erklärt – hier war wohl sogar dem Landgericht Nürnberg-Fürth der Ermittlungseifer des Staatsschutzes zu ambitioniert gewesen.
Inzwischen sieht sich der Antifaschist zudem noch mit einer zweiten Anzeige konfrontiert. Abermals wird ihm ein Verstoß gegen das „Kunsturheberecht“ vorgeworfen, da sich auch ein Neonazi der Erlanger Burschenschaft Frankonia und weitere Personen aus seinem Umfeld in ihren Bildrechten verletzt sehen. Der Stadtrat und Fraktionssprecher für Strategien gegen rechte Aktivitäten hatte in einem Bildungsvortrag zum Thema „Rechte Strukturen rund um die FAU“ erwähnt, dass der besagte Neonazi im Dezember 2020 vom Amtsgericht Erlangen wegen des Zeigens von Hakenkreuzen und SS-Runen, sowie des Besitzes von Schusswaffen verurteilt worden war und hierbei Fotos des (damals) öffentlichen Insta-Acounts des Angeklagten gezeigt.
Das Vorgehen gegen den Erlanger Antifaschisten reiht sich ein, in eine lange Tradition der Bekämpfung und Kriminalisierung von Antifaschist:innen in Bayern. Berufsverbote für Linke, unverhältnismäßige Strafmaßforderungen von Staatsanwaltschaften gegen Antifaschist:innen und Verharmlosung von Wehrsportgruppen und rechten Netzwerken durch ranghohe Politiker:innen stehen dabei in einem eindeutigen Zusammenhang. Es sind verschiedene Formen der antikommunistisch und später extremismustheoretisch begründeten Kriminalisierung antifaschistischer Praxis, die letztlich vor allem Neonazis zu Gute kommt, die in Ruhe ihre Strukturen auf- und ausbauen können.
Die Geschichte zeigt, dass Polizei, Staatsschutz und Verfassungsschutz in Bayern nicht Willens sind, rechte Strukturen zu bekämpfen, Attentate zu verhindern oder auch nur aufzuklären. Die lange Liste rechtsterroristischer Mordanschläge liefert dafür allzu viele Belege. Etwa hat die jahrelange Duldung der Wehrsportgruppe Hoffmann das Münchener Oktoberfestattentat und die Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke in Erlangen erst möglich gemacht. Die Hälfte aller Morde des NSU wurden in Bayern verübt und die Neonazi- und V-Personenstrukturen, die das Kerntrio lokal unterstützten, sind bis heute nicht aufgeklärt. Doch nicht nur verweigern und verhindern die Behörden Aufklärung, sie sind selbst von Nazis durchsetzt. Beinahe wöchentlich ist von unterschlagener Munition, sowie von rechten Zellen und Chatgruppen bei Bundeswehr und Polizei zu lesen – letzteres zum Beispiel auch beim bayerischen USK.
Das verdeutlicht nur noch einmal, was wir Antifaschist:innen längst wissen: Im Kampf gegen Nazis kann man sich auf den Staat nicht verlassen. Um zu verhindern, dass sie ihre menschenfeindliche Propaganda ungehindert verbreiten und letztlich weiter Morden können, beobachten und dokumentieren Antifaschist:innen rechte Strukturen und Akteur:innen. Diese Arbeit ist seit jeher staatlicher Repression ausgesetzt – für die Behörden steht der Feind links. Bereits die bürgerliche Politik einer vergleichsweise linken Parteiliste reicht offenbar aus, um gegen aktive Antifaschist:innen Vorwürfe – mit Nazis als Stichwortgebern – zu konstruieren und einen umfassenden Eingriff in deren politische Arbeit vorzunehmen.
Wir lassen uns nicht einschüchtern! Antifaschistischer Widerstand ist und bleibt notwendig! Gerade in Zeiten in denen die völkische AfD in fast allen Landesparlamenten sitzt, rassistische und antisemitische Übergriffe an der Tagesordnung sind, sich mit den sogenannten Querdenker:innen das Potential für eine breite rechte Bewegung deutlich offenbart und auch die staatlichen Organe mit Neonazis und rechten Netzwerken durchzogen sind, braucht es eine starke antifaschistische Bewegung und Menschen, die für eine freie und soldarische Gesellschaft kämpfen.
Gegen die Kriminalisierung antifaschistischer Praxis! Solidarität mit allen Antifaschist:innen!