Statement zur Kundgebung bezüglich der Abschiebung einer Erlanger Familie
Am 23. Februar wurde eine Familie aus Erlangen nach Armenien abgeschoben. Heute veranstalteten der Unterstützerkreis der Familie und der Ausländer- und Integrationsbeirat eine Kundgebung an der wir uns beteiligt haben. Wir finden es toll, wie schnell Mitschüler*innen und Freund*innen der Familie Unterstützung organisiert haben und wie viele Menschen gezeigt haben, dass ihnen die Unmenschlichkeiten dieses Staates nicht egal ist. Die abgeschobene Familie sind keine abstrakte Nummer in Horst Seehofers Abschiebebilanz, sondern Nachbar*innen, Freund*innen, Mitschüler*innen.
Wir schließen uns den Forderungen auf der Kundgebung an: die Familie muss schnellstmöglich zurück in ihre Heimat – nach Erlangen. Wir gehen in unseren Forderungen aber weiter: Abschiebungen sind unmenschlich und stützen die rassistische Politik Deutschlands und der Festung Europa. Abschiebungen verletzen die Betroffenen in ihren grundlegenden Rechten und ihrer Menschenwürde. Deswegen sind wir gegen jede Abschiebung und auch gegen jede Politik, die versucht Abschiebungen „menschlicher“ zu machen und Menschen in „gute Geflüchtete“ (die bleiben dürfen) und „böse Geflüchtete“ (die ruhig abgeschoben werden können) einzuteilen.
Für uns keine leere Parole, sondern politische Forderung:
Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall!
Aufruf zur Kundgebung im Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau
Am 19. Februar 2021 ist der rassistische Anschlag in Hanau ein Jahr her.
Die Gruppe Antithese und die initiative kritisches gedenken organisieren eine Kundgebung im Gedenken an Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.
Wir klagen an. Das Versagen der Behörden, der Staatsanwaltschaft und Polizeit vor, während und nach der Tat. Die schleppenden Ermittlungen, das diffamierende Verhalten von Polizei und Behörden gegenüber Angehörigen und Überlebenden, selbst gegenüber den Toten.
Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Tat: Der Mörder in Hanau war kein „verrückter“ Einzeltäter. Diese Erzählung hat den einen großen Zweck: Die deutsche Gesellschaft von Schuld freizusprechen und zu leugnen, dass es überhaupt ein Problem mit rechten Netzwerken gibt; diese Annahme verunmöglicht eine Aufklärung und deckt die Mittäter*innen, anstatt Menschen vor rechter Gewalt zu schützen.
Wir fordern Konsequenzen für den Täter und die juristische Verfolgung aller Mittäter*innen und Mitwisser*innen, denn nur so lassen sich rechte Netzwerke zerschlagen. Wir fordern die Sicherheitsbehörden dazu auf, endlich konsequent gegen Rechtsextreme in den eigenen Reihen vorzugehen. Nazis raus aus Polizei, Behörden und den Parlamenten!
Diese Tat ist nicht isoliert zu betrachten. Seit 1945 zeigen sich Kontinuitäten rechten Terrors in der BRD. Der rassistische Brandanschlag in der Hamburger Halskestraße, der antisemitische Doppelmord in Erlangen und das Oktoberfestattentat in München 1980, die Anschlagsserie des NSU, der Anschlag in Halle oder die Ermordung Walter Lübckes. In allen Fällen, versuchte der Staatsapparat bis zur Unausweichlichkeit, das rechte Motiv der Anschläge zu leugnen, ermittelte im Umfeld der Opfer, diffamierte Angehörige und die Toten selbst. Unverzeihliche Fehler und institutioneller Rassismus prägen bis heute die polizeiliche Arbeit. Der Unwillen der Behörden, die Netzwerke und Hintermänner der Täter*innen aufzudecken, stehen nicht nur der Aufklärung im Weg und verunmöglichen Konsequenzen für Mittäter, sondern gefährdet weitere Menschenleben.
Wir klagen gemeinsam mit der Initiative 19. Februar in Hanau an und fordern Taten statt Worte: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen!
19.02.2021 // 16.30 Uhr // Schlossplatz Erlangen
Kommt zahlreich und schließt euch dem Gedenken und dem Protest an. Tragt Mund-und-Nasenschutz und haltet den Mindestabstand von 1,5 Metern ein.
ZeroCovid statt Querdenken
Hintergrundinfos: 21-Jähriger Neo-Nazi aus der Burschenschaft Frankonia wegen Waffenbesitzes zu Bewährung verurteilt
(Dieser Beitrag erschien auch auf de.indymedia.org und enthält dort weitere Bilder: https://de.indymedia.org/node/127369)
Der 21-jährige Neonazi Adrian M. wurde zu Jugendarrest von 1 Jahr verurteilt, ausgesetzt auf 4 Jahre Bewährung. Grund waren das Online-Zurschaustellen und Zum-Verkauf-Bieten von Nazi-Devotionalien, sowie der Besitz von Waffen. Adrian M. gehört zur rechtsextremen Burschenschaft Frankonia Erlangen und ist bestens vernetzt mit alten und neuen Rechten aus dem gesamten Bundesgebiet.
Ein 21-jähriger Student aus Hersbruck wurde letzten Mittwoch vor dem Schöffengericht in Erlangen verurteilt, da er online Nazi-Devotionalien präsentiert und teilweise auch zum Verkauf angeboten hat. Die betreffenden Gegenstände hatte er in Teilen mit einem Metalldetektor gefunden und ausgegraben. Darüber hinaus besaß er mehrere Waffen und Waffenteile, die er ebenfalls gefunden habe. Das Gericht folgte der Erzählung des Angeklagten, dass der Großteil davon so stark verrostet und kaputt sei, dass es sich nur noch um „einen Haufen Schrott“ handeln würde. Die Funktionsfähgkeit einer halbautomatischen Pistole und eines Gewehrs seien jedoch wieder herzustellen gewesen. Vor Gericht erklärte der 21-jährige, der in Erlangen in einer Wohngemeinschaft lebt, sein Instagram Profil sei „kein Naziforum“, er wolle „den Nationalsozialismus und den Krieg nicht glorifizieren“. Schließlich wurde er nach Jugendstrafrecht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zu 4 Jahren Bewährung verurteilt. Zusätzlich muss er 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Soweit der Bericht der Erlanger Nachrichten [1], soweit so gut? Fast. Recherchen lokaler Antifaschist*innen zeichnen ein anderes Bild. Adrian M. ist tief verwurzelt in der Erlanger und bundesweiten Naziszene. „Die Wohngemeinschaft“, in der er in Erlangen lebt, ist die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem beobachtete Burschenschaft Frankonia. Sein Anwalt Frank Miksch ist selbst „alter Herr“ der Frankonia und seit Jahren als Neonazi-Szeneanwalt bekannt. Adrian M. ist kein Junge, der zufällig ein paar Hakenkreuze und Waffenteile im Wald findet, sondern ein organisierter Neo-Nazi.
Bereits in der Schule hatte er einen „Naziruf, der nicht ganz unverdient war“ [2, 3], so seine eigene Aussage in einem Forum. Während seiner Schulzeit lernte er Konrad Scheucher kennen, einen Wehrmachts-Panzerfahrer, den er mindestens seit 2017 regelmäßig besuchte. Schließlich machte er sich daran die Memoiren Scheuchers aufzuschreiben und als Buch zu veröffentlichen. Dabei folgte er wohl einer Überzeugung, die er am 26.05.2020 in einer Instagram-Story ausdrückte: „Opa erzählen lassen – staatlich propagandierten Schuldkult beenden !!!“. Zusammen mit Scheucher war er auf Einladung des Neonazis Martin Gärtlein am 13.04.2019 zu Gast beim geschichtsrevisionistischen „Verein Gedächtnisstätte“ in Guthmannshausen, der 1992 u.a. von der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gegründet wurde. Vor 160 Teilnehmenden konnten Scheucher und M. – beide gekleidet in Wehrmachtsuniform, dem historischen Vorbild von Scheuchers Division nachempfunden – ihr faschistisches Gedankengut verbreiten. Im Anschluss folgte ein Auftritt von Frank Rennicke, einem bekannten Neonazi-Liedermacher. Im Juni des gleichen Jahres nahmen die beiden – in ihren Wehrmachtsuniformen – an Gedenkveranstaltungen anlässlich des 75. Jahrestags des sog. „D-Days“ in der Normandie teil. Von dort postete er eine Insta-Story, die ihn auf einem Panzer sitzend mit der Caption „Michael Wittmann 2.0“ zeigt. Wittmann, in dessen Tradition M. sich hier gerne stellen möchte, war ein deutscher SS-Hauptsturmführer und gilt als einer der „erfolgreichsten“ Panzerkommandanten des zweiten Weltkriegs.
Der Tod Scheuchers Anfang März 2020 veranlasste M. in einer Insta-Story zu versprechen: „Deine Leistungen und Ideale werde ich immer verteidigen“.
Damit hörte M.s unermüdliches Engagement, alte Nazis geschichtrevisionistischen Blödsinn erzählen zu lassen, aber leider nicht auf. Im Mai 2020 erschien ein neues Buch von ihm, das die Memoiren eines Wehrmacht-Kampfschwimmers enthält. Seinen Buchverlag bezeichnete er in einem Chat mit Kameraden übrigens offen als „Nazi-Buchverlag“.
Auch seine berufliche Karriere lässt seinen Fanatismus für Waffen und Militarismus erkennen: Im Rahmen seines Ingenieurstudiums an der FAU machte er im Frühjahr 2019 ein Praktikum bei einer „Sicherheitsfirma in Nürnberg“ und hatte darüber Zugang zu einer Waffen- und Sicherheitsmesse, wo er mit Scharfschützengewehr und Maschinenpistolen posierte.
Aber M. schreibt nicht nur Bücher und sucht Waffen im Wald, er ist auch bestens vernetzt mit Rechtextremenen in der gesamten Bundesrepublik. Mit Albrecht Diederichs, einem jungen Neonazi aus Northeim [4] verbrachte er bereits zwei Sommerurlaube in Norwegen. Auch mit dem Rest der gewaltbereiten Northeimer Nazi-Clique [5] versteht er sich bestens. Sowohl bei einem Trip nach Norwegen als auch bei einem Besuch in Northeim wurde er von Mit-Frankone und Erlanger AfD-Stadtratskandidat Philipp C. begleitet. Über diese Nazi-Clique kommt vermutlich auch der Kontakt zu I. Heise zustande, mit der M. gut befreundet ist. I. Heise ist Tochter des militanten Neonazis Thorsten Heise, der sich im engen Umfeld des NSU bewegte.
Eine weitere Verbindung gibt es zu Luis Hill, dem Vorsitzenden der JA Ostbayern, mit dem er sich gemeinsam mit Philipp C. in der Nähe von Schloss Neuschwanstein traf.
Naturgemäß gibt es gute Kontakte zu Marcus M. (ein Aktivist der Jungen Alternative Nürnberg/Fürth, bzw. der JA Bayern) und seiner Partnerin Lydia v. W. (im Bundesvorstand der JA), sowie zu (ex-)IB Kader Robert Timm: Marcus M. ist ebenfalls Mitglied der Burschenschaft Frankonia, Timm wohnt im Haus der Burschenschaft.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Adrian M. ist ein organisierter Neo-Nazi, ein Geschichtsrevisionist und ein Bewunderer des historischen Nationalsozialismus. Er ist bestens vernetzt, sowohl mit dem parlamentarischen Arm der aktuellen extremen Rechten, wie auch mit militanten Neonazis.
Und er hatte Waffen Zuhause. Nicht unmittelbar funktionstüchtig, aber funktionstüchtig machbar mit etwas Arbeit und frei verkäuflichen Teilen. Das technische Geschick dazu hätte er.
Adrian M. ist kein Junge, der zufällig ein paar verrostete Waffen und Hakenkreuze im Wald findet.
Adrian M. und seine Waffen sind brandgefährlich und ein Skandal.
[1] https://www.nordbayern.de/region/erlangen/nazisymbole-online-gezeigt-her…
[2] https://web.archive.org/web/20201222174030/https://www.militaria-fundfor… (siehe Nutzer „nürnberg“)
[3] https://web.archive.org/web/20201222174300/https://www.militaria-fundfor… (siehe Nutzer „nürnberg“)
[4] https://www.hna.de/lokales/goettingen/goettingen-ort28741/pastor-relativ…
[5] https://ausgetobt.blackblogs.org/die-goettinger-naziclique-teil-3/
Aufruf zur Kundgebung am 15.11.20: Solidarität statt Verschwörungsideologie und rechte Hetze
Im Sammelbecken der „Querdenken“-Bewegung oder der selbsternannten „Corona-Rebellen“ tummeln sich seit Beginn der Pandemie Esoteriker*innen, Nazis, Impfgegner*innen und reaktionäre Kräfte aller Couleur.
Auch Erlangen ist nicht frei von solchen Schwurbler*innen. Seit mehreren Monaten versammeln sich auch hier regelmäßig die selbsternannten „Coronarebellen“, um ihre von antisemitischer Ideologie durchdrungene Welterklärung zu verbreiten. Was als versprengtes Häuflein begann, ist inzwischen gut vernetzt zu Rechten in der ganzen Region. Was einst ein verstrahlter Singkreis war, ist mittlerweile zur AfD-Wahlkampfveranstaltung mutiert.
Lasst uns gemeinsam Verschwörungsphantast*innen isolieren und ihr Gedankengut eindämmen. Lasst uns entschieden gegen Schwurbler*innen, Antisemit*innen und Rechte vorgehen und ihnen die Öffentlichkeit streitig machen, die ihnen nie zustand.
Solidarität statt Verschwörungsideologie und rechte Umtriebe!
Querdenken durchimpfen!
Bringt daher einen MNS mit und haltet Abstand.
Achtet auf euch und Andere.
Kundgebung am 06.06.2020: Polizei – kein Freund und Helfer!
Gestern demonstrierten in Erlangen auf Einladung des Antifa-Cafés rund 400 Personen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Unter dem Motto „Black Lives Matter“ solidarisierten sie sich mit den globalen antirassistischen Protesten. In unserem Redebeitrag kritisierten wir rassistische Kontinuitäten von Staat und Polizei weltweit. Außerdem verlasen wir die Namen und die Todesumstände von Opfern rassistischer Polizeigewalt in Deutschland.
Keine Zusammenarbeit mit der AfD
Verschwörungsideologen sind keine harmlosen Spinner – der Pandemie solidarisch entgegen treten!
Gestern rief die Kampagne Erlangen Packt An zu einer Kundgebung unter dem Motto #leaveNoOneBehind auf. Auf dem Erlanger Schlossplatz wurde der Umgang der europäischen Staaten mit Geflüchteten an den Außengrenzen der EU lautstark kritisiert und stattdessen eine solidarische Antwort auf die Corona-Krise gefordert.
Corona trifft uns alle; aber nicht alle gleichermaßen. Unser aller Alltag hat sich verändert,
soziale Kontakte werden eingeschränkt und kulturelle Veranstaltungen abgesagt. Diese Maßnahmen sind sinnvoll und im Geiste eines solidarischen Zusammenlebens von uns allen, nach unseren Kapazitäten gefordert. Doch eben diese Maßnahmen werden dadurch untergraben, dass unzählige Menschen weiter zur Arbeit gehen müssen, nur um die Wirtschaft weiter brummen zu lassen. Das ergibt, außerhalb einer kapitalistischen Logik, keinen Sinn. Widersprüche im Kapitalismus werden deutlicher, die Brüche, die vor der Pandemie vielleicht weniger sichtbar waren, brechen nun vollends auf.
Doch das ist nur ein Bruchteil dessen, was im Umgang mit der sogenannten Krise falsch läuft. Die Forderung, dass Menschen zuhause bleiben sollen, setzt natürlich voraus, dass man ein Zuhause hat. Menschen ohne festen Wohnsitz, bereits zuvor von der Gesellschaft ausgeschlossen, haben keine Möglichkeit, sich gegen die Krankheit zu schützen. Das Problem ist ein Strukturelles.
Blickt man nun an die Außengrenzen der EU, in die Lager auf den griechischen Inseln oder die Zustände im zentralen Mittelmeer, erreichen diese Missstände eine lebensgefährliche Ebene. Die dort herrschenden katastrophalen Zustände, die schon vor der starken Verbreitung des Virus von der EU und Deutschland provoziert und billigend in Kauf genommen wurden, spitzen sich nun weiter zu. Anstatt nach wirklichen Evakuierungsstrategien zu suchen und die Menschen in Sicherheit zu bringen, brüsten sich Deutschland und weitere EU-Staaten weiter damit, eine handvoll Kinder aufgenommen zu haben, während Tausende in den Lagern ausharren. Die viel geforderte Solidarität in diesen Zeiten ist eine Farce, ein Schlag ins Gesicht derer, die an den Außengrenzen der EU einst Hoffnung auf ein besseres Leben schöpften.
Es gibt jede Menge zu kritisieren am Umgang mit der aktuellen Situation. Die Kritik an kapitalistischen Widersprüchen, dem Vergessen der aus-der-Gesellschaft-Ausgeschlossenen und am desaströsen und menschenverachtenden Umgang mit den Menschen auf Lesbos muss geäußert werden. Laut, konsequent und unmissverständlich, wie das gestern in Erlangen passierte.
Doch Zulauf findet zurzeit vor allem Protest, der mit echter Kritik rein gar nichts zu tun hat, auch wenn er sich gerne besonders kritisch gibt.
Unter dem Deckmantel der Wahrung der Grundrechte trugen gestern Verschwörungsfantasten auf dem Rathausplatz in Erlangen und in ganz Deutschland ihre Ideologien auf die Straße. Sie üben sich im Zusammenkonstruieren kruder Erklärungsversuche der aktuellen Situation, denen hier gar nicht zu viel Raum gegeben werden soll. Sie werden von den Vorsängern der Verschwörungsideologen, deren Videos Klickzahlen in Millionenhöhe einfahren, sowieso schon viel zu weit verbreitet. Kurz zusammen fassen lassen sie sich sowieso alle mit „Es gibt da einen geheimen Plan, um die Bevölkerung unter Kontrolle zu bringen – mittels angeblich hochgefährlichen Impfstoffen, 5G Netzwerken oder Microchips“. Auch Reichsbürgerthesen oder die vollends abstruse QAnon Verschwörungstheorie tauchen in diesem Umfeld auf und werden in den Telegram-Gruppen der sog. „Corona Rebellen“ kritiklos weiterverbreitet.
Man könnte diese Theorien als psychotische Wahnvorstellungen dringend hilfebedürftiger Menschen abtun; oder als harmlose Spinnerei; absurde Fantasien; Quatsch, den eh niemand ernst nimmt. Aber das wäre zu kurz gegriffen.
Diese Ideologie ist hochgefährlich. Sie bedient klassisch antisemitische Feindbilder einer heraufbeschworenen strippenziehenden Elite, die für das gesamte Unglück unserer Zeit verantwortlich sei.
Wenn man dann nur endlich diese verschwörerische Elite und ihre gekauften Politiker*innen loswürde, dann wäre hier endlich Friede, Freude, Eierkuchen.
Diese Vorstellung ist zum einen eine sehr naive Erklärung unserer Gesellschaft. Statt die wirklichen, strukturellen Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise zu kritisieren werden diese Widersprüche überdeckt von der Suche nach dem einen Sündenbock. Zum anderen hat diese Vorstellung nur eine Konsequenz: das Pogrom, die Gewalt gegen die vermeintlich Schuldigen.
Traditionellerweise werden „Die Juden“ als diese Schuldigen identifiziert und in der Shoa wurde diese letzte Konsequenz der antisemitischen Verschwörungsideologie grausame Wirklichkeit.
Solidarisches Miteinander auch, und gerade, in Zeiten von Corona heißt deshalb eben auch, immer wieder gemeinsam gegen Verschwörungsfantasien zu kämpfen, nun eben in ihrer neuesten Ausprägung, den selbst-ernannten Corona Rebellen. Der Umgang mit der Krise muss kritisch begleitet werden, um zu verhindern, dass die von der Gesellschaft marginalisierten Gruppen (Geflüchtete, Wohnungslose, psychisch Kranke, um nur ein paar Beispiele zu nennen) die Hauptlast der Krise tragen müssen. Nur so können wir eine wirkliche Solidarität erreichen – nur so können wir wirklich solidarisch sein. Nur kann und darf das niemals in einer Querfront mit Rechten und Verschwörungsideologen passieren.
Gegen JEDEN Antisemitismus – auch und gerade in vermeintlich linken oder alternativen Zusammenhängen!
Solidarität mit den Geflüchteten – an den Außengrenzen der EU und überall!
Leave no one behind!
Rede zum Tag der Befreiung
Liebe Genoss*innen,
wir feiern heute zusammen den Tag der Befreiung der Welt von der deutschen Barbarei und den Beginn der Entnazifizierung vor 75 Jahren. Trotz der offensichtlich ausweglosen Situation NS-Deutschlands gegen Ende des Krieges, wollten die nationalsozialistischen Machthaber den Krieg bis zum bitteren Ende fortführen. Die Bevölkerung Deutschlands machte willig mit. Dem deutschen Faschismus und diesem Wahnsinn konnte am 8. Mai 1945 durch den Sieg der Allierten und die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht ein Ende bereitet werden. Das ist ein Grund zu feiern! DANKE! СПАСИБО! THANK YOU! MERCI!
Der Sieg der Alliierten über Deutschland wurde von großen Teilen der deutschen Bevölkerung aber mitnichten als eine Befreiung, sondern vielmehr als eine tiefe Schmach wahrgenommen. Die nationalsozialistische Vergangenheit all der Kader, die die BRD aufbauten, wurde hingenommen und verschwiegen. (Noch) 1970 forderte die CDU/CSU Willy Brandt mit den Worten „Niederlagen feiert man nicht“ auf, dem 8. Mai nicht zu gedenken. Ein Narrativ, welches bis heute in den Äußerungen Gaulands und anderer Nazis fortgeführt wird. In die 1980er Jahren fällt eine wichtige Kehrtwende in der Erinnerungskultur Deutschlands, die bis heute fortwirkt. Unter Richard von Weizsäcker wurde die Niederlage Deutschlands so gewendet, dass nun auch Deutsche von ihr profitieren konnten – denn Sie hätten die Chance bekommen aus der Nazibarbarei zu lernen und wieder gut zu werden. Die Morde an Millionen von Menschen wurden so zum bloßen Instrument der Läuterung der neuen Deutschen.
Beide Bewältigungsmethoden – Verschweigen wie Wiedergutwerdung – hatten und haben einen fortwirkenden Effekt: Die deutsche Gesellschaft musste sich so nie umfassend mit tatsächlichen personellen und ideologioschen Kontinuitäten seit 1945 auseinandersetzen. Dies hatte brutale Konsequenzen: Von der Kapitulation Deutschlands 1945 bis heute zieht sich eine blutige Spur rechten Terrors durch Deutschland, die Organisation Wehrwolf, die Wehrsportgruppe Hoffmann, Mölln, der NSU, Halle, die Morde von Hanau, um nur einige zu nennen. Den Taten ist gemeinsam, dass ihnen auf allen Ebenen unzureichend begegnet wurde und wird. Nie wurden Betroffene und Opfer ernst genommen, nie wurden rechte Strukturen zerschlagen, nie wurden staatliche Verstrickungen und staatliches Versagen aufgearbeitet.
Vor diesem Hintergrund ist klar: Die 1945 begonnene Entnazifizierung Deutschlands ist noch lange nicht abgeschlossen. Rassismus und Antisemitismus, rechte Strukturen haben Kontinuität in Deutschland. Eine neue Zuspitzung dieser Verhältnisse zeigt sich ganz aktuell an den Angriffen auf vier türkische Lebensmittelläden in Waldkraiburg in den letzten elf Tagen.
Der 8. Mai ist ein Tag zum feiern, aber vor allem ein Tag um deutlich zu machen, dass wir diese Zustände nicht hinnehmen dürfen! Schließt euch den Aktionsvorschlägen des Streikbündnis achter Mai „Wir Streiken“ an (https://wirstreiken0805.wordpress.com/aktionen/) !
Wir fordern: Kein Frieden mit Deutschland! Nie wieder Deutschland! Nie wieder Faschismus! Entnazifizierung jetzt!