Unterstützung des offenen Briefs aus der Solidarischen Nachbarschaftshilfe Erlangen

Liebe Genoss*innen,

wir, als Gruppe Antithese, unterstützen den offenen Brief eines Teils der Gründer*innen der „Solidarischen Nachbarschaftshilfe“, der uns Anfang der Woche erreichte.

Offener Brief „Solidarische Nachbarschaftshilfe“ vom 27.4.2020:

An die Stadt Erlangen, Bayern, Deutschland und den Kapitalismus,

wir sind ein Teil der Gründer*innen der „Solidarischen Nachbarschaftshilfe“ in Erlangen. Wie in anderen Städten auch, wurde diese Gruppe zu Beginn der „Corona“-Krise gegründet und besteht nun aus über 180 Personen. Die Mitglieder*innen der Gruppe eint, dass sie etwas tun wollen, andere unterstützen und ihre Hilfe anbieten möchten – auch, wenn es natürlich keine Erfahrung im Umgang mit einer solchen Situation gibt.

Zu dem guten Gefühl helfen zu wollen hat sich aber schnell bei einigen auch ein ungutes Gefühl eingeschlichen: Warum leben wir in einer Gesellschaft in der man Angst haben muss, dass Leute nicht genug zu essen haben, wenn Tafeln schließen? Warum haben immer noch nicht alle Menschen hier ein gutes und schönes Zuhause, in dem sie sich während der Ausgangsbeschränkungen aufhalten können?
Wie kann es sein, dass es nicht genug Intensivbetten/ Schutz-Masken/ Desinfektionsmittel gibt? Warum wird Pflegepersonal, das dazu beiträgt unser Leben zu retten eigentlich immer noch nicht annähernd angemessen entlohnt?
Warum üben Männer immer noch so wahnsinnig viel psychische und physische Gewalt gegenüber Frauen und Kindern aus, misshandeln diese und fühlen sich nicht einmal schlecht dabei – eine Zunahme dieser Gewalt muss in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen zwingend erwartet werden!
Warum dürfen wir vertraute Menschen oder die Familie nicht sehen, aber müssen jeden Tag zur Arbeit gehen (auch wenn es an vielen Arbeitsplätzen keinen entsprechenden Ansteckungsschutz gibt und Hygienevorgaben nicht eingehalten werden können)?
Und warum muss es ehrenamtliche, unbezahlte Hilfe geben, um etwas dagegen zu machen, obwohl der Staat und die Kommunen viele Aufgaben übernehmen könnten?

Man könnte diese Liste der Fragen mit Sicherheit unendlich ausbauen. Uns geht es aber darum, Missstände in den Fokus zu rücken, Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten zu benennen und Alternativen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Das Grundproblem liegt für uns in einer Gesellschaftsordnung, die von Konkurrenz und Leistungsprinzip geprägt ist und dazu führt, dass der Planet und die auf ihm lebenden Menschen erbarmungslos ausgebeutet werden. Eine Gesellschaftsordnung,  vonwelcher jede*r einzelne in seinen/ihren Taten strukturiert wird.

Seit Krankenhäuser zunehmend ökonomisiert wurden, diese profitorientiert arbeiten müssen und nicht mehr für die allgemeine Gesundheitsfürsorge da sind, ist das Ziel der Krankenhäuser nicht mehr die Gesundheit der Menschen sondern die Wirtschaftlichkeit. Erreichen sie nicht die erwarteten Gewinnmargen, müssen sie schließen.
In Krankenhäusern kann es also kein Personal und keine Infrastruktur geben, die keinen Profit erbringen. Und deswegen gibt es – gewissermaßen logischerweise – für eine nicht-alltägliche Lage, eine Pandemie, nicht genügend Personal und Ausrüstung.

In dem Wissen, dass viele wichtige Kompetenzen bei Bund & Land liegen, fordern wir hier in Erlangen seitens der Stadt, also auf kommunaler Ebene, das, was sie umsetzen kann:

1. Solidarität mit dem Gesundheitspersonal und Erfüllung ihrer Forderungen!

2. Sicherstellung der Versorgung von Menschen, die auf Lebensmittel und Güter der Tafel angewiesen sind. Der Betrieb von Tafeln muss uneingeschränkt (natürlich unter Beachtung der notwendigen „Sicherheitsvorgaben“) funktionieren.

3. Sofortige Einrichtung von ansteckungssicheren Wasch- und Duschmöglichkeiten, warmen Aufenthalts- und Übernachtungsorten und Versorgungsstationen für Wohnungs- und Obdachlose (z.B. leere Hotels).

4. Sofortige dezentrale Unterbringung von Geflüchteten: Gemeinschaftsunterkünfte müssen geschlossen werden. Wir begrüßen den Antrag der Erlanger Linken.

5. Sofortige finanzielle, unbürokratische und bedingungslose Unterstützung von den Menschen, die besonders von den aktuellen Einschränkungen betroffen sind und deren Existenz nicht mehr gesichert ist.

6. Stadt Erlangen als sicherer Hafen: Der Bekundung müssen Taten folgen. Die Stadt muss sich für die Aufnahme von Geflüchteten von den europäischen Außengrenzen einsetzen (z.B. aus Moria/Lesbos oder den Schiffen Alan Kurdi und Aita Mari)

Der Alltag wird lahm gelegt, das Unmögliche wird scheinbar möglich gemacht um Covid 19-Tote zu verhindern. Tausende Tote an den europäischen Außengrenzen und im Mittelmeer, Opfer des Klimawandels und massiver Ausbeutung im globalen Süden werden gleichzeitig schweigend hingenommen.

Wir fordern, dass auch hier das scheinbar Unmögliche möglich gemacht wird und diese Menschenleben gerettet werden.

Wir wissen, dass die Stadt Erlangen dieses kapitalistische Gesellschaftssystem nicht abschaffen wird, aber wir fordern einen Schritt zu einer lebenswerteren Welt für ALLE!

Ein Teil der Gründer*innen der „Solidarischen Nachbarschaftshilfe“