Rede zum Tag der Befreiung

Liebe Genoss*innen,

wir feiern heute zusammen den Tag der Befreiung der Welt von der deutschen Barbarei und den Beginn der Entnazifizierung vor 75 Jahren. Trotz der offensichtlich ausweglosen Situation NS-Deutschlands gegen Ende des Krieges, wollten die nationalsozialistischen Machthaber den Krieg bis zum bitteren Ende fortführen. Die Bevölkerung Deutschlands machte willig mit. Dem deutschen Faschismus und diesem Wahnsinn konnte am 8. Mai 1945 durch den Sieg der Allierten und die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht ein Ende bereitet werden. Das ist ein Grund zu feiern! DANKE! СПАСИБО! THANK YOU! MERCI!

Der Sieg der Alliierten über Deutschland wurde von großen Teilen der deutschen Bevölkerung aber mitnichten als eine Befreiung, sondern vielmehr als eine tiefe Schmach wahrgenommen. Die nationalsozialistische Vergangenheit all der Kader, die die BRD aufbauten, wurde hingenommen und verschwiegen. (Noch) 1970 forderte die CDU/CSU Willy Brandt mit den Worten „Niederlagen feiert man nicht“ auf, dem 8. Mai nicht zu gedenken. Ein Narrativ, welches bis heute in den Äußerungen Gaulands und anderer Nazis fortgeführt wird. In die 1980er Jahren fällt eine wichtige Kehrtwende in der Erinnerungskultur Deutschlands, die bis heute fortwirkt. Unter Richard von Weizsäcker wurde die Niederlage Deutschlands so gewendet, dass nun auch Deutsche von ihr profitieren konnten – denn Sie hätten die Chance bekommen aus der Nazibarbarei zu lernen und wieder gut zu werden. Die Morde an Millionen von Menschen wurden so zum bloßen Instrument der Läuterung der neuen Deutschen.

Beide Bewältigungsmethoden – Verschweigen wie Wiedergutwerdung – hatten und haben einen fortwirkenden Effekt: Die deutsche Gesellschaft musste sich so nie umfassend mit tatsächlichen personellen und ideologioschen Kontinuitäten seit 1945 auseinandersetzen. Dies hatte brutale Konsequenzen: Von der Kapitulation Deutschlands 1945 bis heute zieht sich eine blutige Spur rechten Terrors durch Deutschland, die Organisation Wehrwolf, die Wehrsportgruppe Hoffmann, Mölln, der NSU, Halle, die Morde von Hanau, um nur einige zu nennen. Den Taten ist gemeinsam, dass ihnen auf allen Ebenen unzureichend begegnet wurde und wird. Nie wurden Betroffene und Opfer ernst genommen, nie wurden rechte Strukturen zerschlagen, nie wurden staatliche Verstrickungen und staatliches Versagen aufgearbeitet.

Vor diesem Hintergrund ist klar: Die 1945 begonnene Entnazifizierung Deutschlands ist noch lange nicht abgeschlossen. Rassismus und Antisemitismus, rechte Strukturen haben Kontinuität in Deutschland. Eine neue Zuspitzung dieser Verhältnisse zeigt sich ganz aktuell an den Angriffen auf vier türkische Lebensmittelläden in Waldkraiburg in den letzten elf Tagen.

Der 8. Mai ist ein Tag zum feiern, aber vor allem ein Tag um deutlich zu machen, dass wir diese Zustände nicht hinnehmen dürfen! Schließt euch den Aktionsvorschlägen des Streikbündnis achter Mai „Wir Streiken“ an (https://wirstreiken0805.wordpress.com/aktionen/) !

Wir fordern: Kein Frieden mit Deutschland! Nie wieder Deutschland! Nie wieder Faschismus! Entnazifizierung jetzt!